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IBD- International Bacalaureate Diploma – alternativer und international anerkannter  Schulabschluss / Hochschulzugang

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Im Gespräch mit Frau Jutta Zopf und Martina Bauer von der Waldorfschule Wien West über das IBD

Intarnational bacalaureat diplom- Waldorf schule

IBD Klasse Waldorfschule Wien-West

M.H.: Was heißt eigentlich IBD, woher kommt der Name?

J.Z.: Entwickelt wurde dieses International Bacalaureate Diploma Program für UNO Angestellte und Kinder aus Diplomatenkreisen, damit es sozusagen überall auf dem Globus Schulen gibt,  wo die Schüler, auch wenn sie mit den Eltern mitreisen in die verschiedenen Länder, ihren Schulabschluss machen können. Das war  die eine Strömung, die andere Strömung hat das Ziel eine Art voruniversitären Lehrgang zu haben, der die Jugendlichen bereits sehr gut auf eine akademische Laufbahn oder auf ein Studium an einer Universität vorbereitet. Es wird seit 1968 angeboten. Es gibt da  verschiedene Schwerpunkte, z.B war ein Schwerpunkt von Anbeginn an Internationalität, oder eine gewisse Weltoffenheit ist auch ein ganz wichtiges Stichwort. Oder Dinge wie:  wir wollen auch einmal was geistig riskieren, wir wollen ungewöhnliche Gedanken denken und denen nachgehen und schauen, wo sie uns hinführen. Wir wollen Dinge die uns vorgesetzt werden, hinterfragen können und relativieren. Wir wollen Dinge aus verschiedenen Wissensgebieten gedanklich vernetzen können.

Und das Spannende für uns ist, dass der pädagogische Ansatz ein Ganzheitlicher ist. Eigentlich ganz ähnlich wie in der Waldorfpädagogik. Es wird Hand, Herz und Hirn angesprochen und keinesfalls nur Hirn. Es ist auch wichtig, dass man das Künstlerische pflegt.  Und auch wenn im Rahmen des Curriculums Sportunterricht nicht stattfindet ,  wird gefördert, dass man sich sportlich betätigt, dass man auch auf den Körper schaut.

M.H.: Wie sieht der Lehrgang aus?

Der Lehrgang dauert zwei Jahre. Am Ende dieser zwei Jahre stehen schriftliche Abschlussprüfungen in 5 der7 Gegenstände, die man belegen muss. In Kunst gibt es einen praktischen Abschluss, im Fach Theory of Knowledge machen die Schüler eine Präsentation zur philosophischen Betrachtung einer sogenannten Wissensfrage und schreiben einen großen Aufsatz zu einem vorgegebenen Thema.

Und in jedem Gegenstand gibt es in den zwei Jahren des Kurses bereits Aufgabenstellungen , meist schriftlicher Natur, die dann  zum Endergebnis der Note dazuzählen. Man erwirbt bei den einzelnen Prüfungskomponenten Punkte – maximal 45. Um das Diploma zu erhalten, muss man 24 Punkte geschafft haben.

M.H.: Also dem Namen nach das ist eine Matura!?

 Ja, aber  eine besonders gute Matura!

M.H: Das heißt, dass es von dem Staat anerkannt wird und zum Studium befähigt?

J.Z: Ja, genau. In Österreich gibt es die Empfehlung des Bildungsministeriums an die  Universitäten das IB Diploma anzuerkennen.  Und das wird auch so gehandhabt.

M.H: Wenn ich richtig verstehe, steht das also der Universität zu, ob sie das IBD anerkennt?

J.Z.: Theoretisch steht es der Universität zu, aber es wird von allen Universitäten anerkannt. Es gibt einzig Unterschiede bei der Anzahl der Punkte, die man erreicht haben muss, um zum Studium zugelassen zu werden. .  Man muss, wie gesagt, mindestens 24 Punkte erreichen, um das Diplom verliehen zu bekommen. Das beste mögliche Ergebnis sind 45 Punkte.  Die Uni-Wien und andere Universitätensagen, ab 24 Punkten kannst Du bei uns studieren. Andere Universitäten verlangen mehr.  Man muss sich individuell informieren

M.H.: Wie ist es mit dem Medizinstudium oder mit anderen Universitäten, wo man eine Art Aufnahmeprüfung belegen muss?

M.B.: Das ist ganz Uni-abhängig. Da können die Schüler, die das IBD haben als internationale Studenten betrachtet werden und die Uni schreibt dann vor, welche Prüfungen gemacht werden sollten.

M.H.: Wie ist das Punktsystem des IBD?

Prinzipiell gibt es eine Notenskala von 1 bis 7, wobei 7 die beste Note darstellt.

Man absolviert 6 Gegenstände, wo man jeweils bis zu 7 Punkte erringen kann.  Das ergibt 42 Punkte maximal.  Und dann kann man noch drei Punkte aus zwei anderen Elementen erreichen.   Zum einen schreiben die Schüler einen extended essay, sozusagen eine vorwissenschaftliche Arbeit. Die Schüler suchen sich aus einem ihrer Gegenstände ein Thema aus, einen Themenbereich und müssen dann unter Begleitung eines Lehrers eine Forschungsfrage entwickeln und diese auf bereits recht gutem wissenschaftlichen Niveau bearbeiten und beschreiben (maximal 4000 Wörter). Und natürlich bekommen sie vorher das Handwerkszeug, wie man  recherchiert , wie man zitiert, wie man ein Abstrakt schreibt usw. Wenn sie auf die Uni kommen, haben sie bereits so eine Arbeit hinter sich gebracht, wobei mittlerweile das auch in Österreich Teil der Matura ist, diese vorwissenschaftliche Arbeit. Als das IB Diplom entworfen wurde, war das noch weitgehend unbekannt

Das zweite Element ist das bereits erwähnte Fach Theory of Knowledge, ein Kurs in philiosophisch-wissenschaftlichem Denken.

M.H.: Seit wann hat Ihre Schule das IB Diüloma Program?

J.Z.: Wir machen jetzt das 3. Jahr. Unser erster Jahrgang hat im Mai  2015 die Prüfungen absolviert.

Und da alles für uns neu war, haben wir schon ein bisschen gezittert, wie es werden wird, aber es ist sehr gut gegangen.

M.H.: Welche Feedbacks gibt es von den SchülerInnen?

J.Z.: Sie sagen, es ist toll. Es ist anstrengend und eine Herausforderung und man ist gut beraten rechtzeitig ins gezielte Arbeiten einzusteigen- sagen die Schüler rückblickend. Und es  ist eine große Bereicherung für die persönliche Entwicklung

M.H.: Wie integrieren sie diese zwei Jahre in die  13 Jahre der Waldorfschule?

Wir haben uns bei dieser Frage an die Waldorfschule in Luxemburg angelehnt, wir machen den Waldorflehrplan bis zur 11. und in den 12. und 13., das IB Diplom, wobei wir gewisse Elemente mit hinübergenommen haben, wir haben z.B: ein Zwölfklassstück, obwohl das nicht im Curriculum vorgesehen ist. Wir finden es aber einfach bereichernd und haben  es eingebaut. M.H.: Gibt es auch andere Waldorfschulen in Österreich, die das IBD Programm verwenden?

J.Z.: Nein, ich weiß, dass die Waldorfschule in Salzburg überlegt hat, von der Matura auf das IB-DP umzusteigen. Die Schüler machen dort seit langem die Matura in der 13 Schulstufe extern in Zusammenarbeit mit einem Realgymnasium und dadurch, dass es seit Jahren sehr gut funktioniert, ist man dann doch beim gewohnten System geblieben. M.H.: War es schwierig an ihrer Schule das IBD einzuführen?

J.Z.:   Eswar ein Prozess, wo wir sehr viel informieren mussten. Also eher komplex als schwierig. Bei uns war das Glück, das wir damals die Oberstufe aufgebaut haben,  und geschaut haben, was machen die Waldorfschulen  in der Umgebung  und uns klar war, wir wollen nicht die Matura. Wir wollen nicht als Schulabschluss für unsere Kinder die Matura, wir wollen ein anderes Modell. Dann sind wir auf das IBD gestoßen und gleichzeitig hat der Österreichische Waldorf Bund eine Empfehlung dafür ausgegeben. Die haben sich das auch angeschaut und festgestellt, dass es sehr gut passt auf eine  Waldorfschule oben drauf, und ich würde sagen, allgemein auf eine Reformpädagogische Schule mit  diesem ganzheitlichen Ansatz.

M.B.: Als wir begonnen haben die Oberstufe aufzubauen, war uns wichtig, dass die Elternschaft dahinter steht. Und da haben wir einen relativ umfangreichen Fragebogen erstellt und der wurde an die gesamte Schulgemeinschaft verteilt. Wir hatten dann verschiedene Lösungen, nicht nur das eine Modell, wir hatten Schule und Lehre z. B. in der Überlegung und da kam ganz klar heraus, dass es das IB-DP sein soll. Dann haben wir begonnen damit.

M.H.: Wie beginnt man mit dem IBD?

J.Z.: Man muss einen Zertifizierungsprozess durchmachen, der ein bis eineinhalb Jahre dauert.  Wir haben es in einem Jahr geschafft. Einfach, weil wir es gewohnt sind als Lehrer Schule zu gestalten und  Schule zu machen. Deswegen ist es uns eigentlich ganz leicht gefallen und wir haben auch sehr gutes Feedback bekommen nach der Zertifizierung.

M.H. Welche Bedingungen gibt es?

M.B.: Es gibt verschiedene räumliche Festlegungen, die unbedingt eingehalten werden müssen. Jede Klasse soll ihren eigenen Klassenraum haben, man braucht Arbeitsräume, ein eigenes Biolabor, oder art-room, eine Bibliothek etc.

J.Z.: Da waren noch Bedingungen, die an einer Waldorfschule Selbstverständlichkeit sind, wie regelmäßige Lehrerkonferenzen, Schülergespräche,  eine unterstützende Form des Feedbacks. Das sind Dinge die wir ohnehin machen. Daher ist das IB-DP ein gutes Modell für die Waldorfschule, weil schon viel angelegt ist in den Jahren davor.

M.H.: Wie werden die Lehrer, die in diesen zwei Jahren gebraucht werden, zertifiziert?  

M.B.: Die Lehrer müssen sogenannte IB Workshops machen, wo sie mit dem  facheigenen Curriculum vertraut gemacht werden und auch damit, wie bewertet wird, wie geprüft wird oder wie man den Lehrplan aufbaut.

M.H.: Wie viele Lehrer werden gebraucht?

J.Z.: Im Grunde genommen pro Gegenstand ein Lehrer.

MH: Welche sind die Fächer?

J.Z:  Es gibt Fächergruppen in IBD Programm.  Erste Fächergruppe ist Muttersprache,  oder wie es mittlerweile heißt best language,  weil es auf internationaler Ebene immer mehr Leute gibt,  die auch in zwei Sprachen aufwachsen  und dann eben eine  best language haben.

Dann zweite Fächergruppe ist Fremdsprache. Dritte Fächergruppe: Humanwissenschaften.  Vierte Gruppe: Naturwissenschaften,  dann noch Mathematik und Kunst.  Derzeit, weil wir noch klein sind, haben wir in jeder Fächergruppe einen einzigen Gegenstand. Mit der Zeit wollen wir das natürlich erweitern. Das siebente Fach ist ToK.

Es ist so, dass die Fächer der 6 Fächergruppen auf 2 Niveaus angeboten werden, dem standars level (SL) und dem higher level (HL) . Die Schüler wählen sich 3 Gegenstände in standard level und drei Gegenstande  für die sie sich besonders interessieren oder wo sie Ihre Begabung haben im  higher level aus. Das dient dazu,  dass man sich in einigen Gegenständen wirklich vertiefen kann und auf ein deutlich höheres Niveau kommen kann als eigentlich Matura-Niveau wäre. In der Benotung sind die beiden Stufen aber gleich. Das heißt, wenn ich Deutsch standard level mache, und Englisch higher level, kann ich trotzdem aus beiden Gegenständen 7 Punkte lukrieren. Es ist nicht eins besser als das andere. Es sind nur zwei Alternativen.

Und es gibt noch etwas, das wir sehr zu schätzen gelernt haben. Wenn man das Diplom errungen hat mit z.B. 26 Punkten (24 ist das Minimum), und man findet, das ist nicht genug, dann kann man sich einen oder mehrere Gegenstände aussuchen und noch einmal zur Prüfung antreten und sich verbessern. Und wenn man ein oder vielleicht zwei Gegenstände gar nicht nicht geschafft hat, kann man noch einmal antreten und nachbessern. Jeder Schüler hat insgesamt drei Antrittsmöglichkeiten.

M.H.: Arbeitssprache in dem Programm ist Englisch?

J.Z.: Ja. Oder Französisch oder Spanisch. Aber vor ein paar Jahren hat die IBO (International Baccalaureate Organization) das Arbeitssprachangebot erweitert mit Deutsch (und Chinesisch). Wir haben die Gelegenheit ergriffen, Fächer in Deutsch anzubieten. Bei uns wird Geschichte und Biologie auf Deutsch unterrichtet. Mathematik und visual arts, (Bildende Kunst) werden auf Englisch unterrichtet und auch auf Englisch geprüft.  Und das funktioniert sehr gut.

M.H.: Können die Schüler so gut Englisch, dass sie die Fächer problemlos verstehen?

M.B. In der 10. Klasse fahren unsere Schüler 3 Monate in den englischsprachigen Raum und zwar alle! Sie gehen dort entweder auf die Waldorfschule oder machen sonstige Projekte. Wenn sie dann zurückkommen ,  sind sie so gut in Englisch, dass sie im IB problemlos inhaltlich arbeiten können.

M.H.: Wie ist die Prüfung im Vergleich zu der staatlichen Matura?

J.Z.: Es ist sehr anspruchsvoll, und wenn wir das sagen, heißt es nicht, wir müssen  Bücher auswendig lernen, sondern es ist gemeint, dass ich auf einem horchen Niveau reflektierend zu dem Gegenstand was sagen können muss.  In Geschichte z. B. lerne ich Quellenkritik. Im Englisch geht es darum, Literatur zu verarbeiten und etwas Kreatives  daraus zu machen. In Muttersprache geht es um Literaturanalyse auf einem ziemlich hohen Niveau. Unsere Erfahrung ist, dass wenn jemand zielorientiert  und fleißig arbeitet, das IB auf jeden Fall machbar ist. Auch wenn man nicht der ganz begnadete, ganz stark kognitive Schüler ist.

Ausschlaggebend (und typisch für die Waldorfpädagogik) ist die Art und Weise, wie wir die Schüler begleiten – das unterscheidet uns aber auch von konventionellen IB Schulen

M.H.: Wie viele Schüler haben Ihren Abschluss im IB-DP gemacht?

Wir hatten im ersten Jahrgang  17, wobei zwei Schüler in der Halbzeit entschieden haben. dass es doch nicht das Richtige für sie ist.  Wir haben jetzt in unserem zweiten Jahrgang auch wieder 17 Schüler.  Wir haben Schüler aus unserer Schule  und wir haben in jedem Jahrgang drei bis vier Quereinsteiger, zum Teil aus anderen Waldorfschulen, aber auch aus öffentlichen Schulen. Und immer wieder haben wir Schüler aus dem Ausland, jetzt jemand aus Luxemburg und jemand aus München. Auch Schüler aus China interessieren sich für unsere Schule.

M.H.: Seit dem ich zuletzt vor 5 Jahren ihre Schule besucht habe, sehe ich hier viel mehr Schüler. Ist das mindestens teilweise dem IB-DP zu verdanken?

J.Z.: Ja, auf jeden Fall. Seit dem wir das IB-DP eingeführt haben, ist unsere Schule viel interessanter geworden. Es kommen schon Eltern in die erste Klasse, die sagen, wir kommen zu eurer Waldorfschule, weil ihr am Ende das IB Diplom habt.

M:H.: Kann man wissen, wie viele Waldorfschulen das IB DP eingeführt haben. Wir wissen schon, dass Sie in Österreich die ersten sind.

J.Z,: Eins ist sicher: wir waren die dritte Waldorfschule weltweit, die damit begonnen hat. Luxemburg die erste. Sie machen schon das elfte Jahr. Sie sind unsere Partnerschule, unsere Begleiter. Ich glaube es gibt weltweit drei oder vier Waldorfschulen, mittlerweile vielleicht auch mehr.

M.H. Wie läuft der Zertifizierungsprozess, muss man irgendwo hinfahren, oder einen Kurs belegen?

J.Z.: Nein, man wird besucht, man kriegt einen Supervisor beigestellt. Und der abschließende Zertifizierungsbesuch findet im Haus statt, weil die IBO sich die Räumlichkeiten anschauen. Wir konnten unseren Supervisor 20 Stunden konsultieren.  Und er hat uns einmal am Wochenende besucht.

M.H.  Ich bedanke mich für das Interview und wünsche Ihrer Schule viele Schülerinnen und Schüler die auch das IBD mit 45 Punkte beenden !

 

 

(M.H.: Mihály Hevesi)