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Stille Wasser sind attraktiv – Poesie Performance in der 10. Klasse der Steinerskolen på Hedemarken in Norwegen

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Gruppe 2webalap

Wie kann Lernfreude für die deutsche Sprache geweckt werden, bei einer doch sehr geringen Kontaktzeit mit dieser Fremdsprache? Dies stellt sich immer wieder als eine Herausforderung.

Dieser Artikel ist ein Auszug. Der ganze Text wird in der gedruckten Version des Magazins zu lesen sein (siehe indiegogo Kampagne hier).

“…Der Weg

Der Ausgangspunkt war Interesse zu wecken um Textverständnis und Aussprache zu fördern. Dies war als Zielsetzung erst einmal genug. Zwei Einzelstunden standen pro Woche zur Verfügung, wobei die eine am Freitagnachmittag, also die letzte Schulstunde der Woche, eine zusätzliche Motivation erforderte.

Zuerst wurde die Autorin präsentiert und ihr Gedicht „Stille Wasser sind attraktiv“ in der norwegischen Sprache reflektiert. Nach einigen Wochen unterschiedlicher Textbearbeitung wurde eine Pause, ein Themenwechsel eingebaut, die Weihnachtszeit gestaltet….

Julia EngelmannStille Wasser sind attraktiv

(Ein Gedicht aus ihrem Buch Eines Tages Baby, Poetry-Slam-Texte, Goldmann Verlag, 2014)

 

Ich bin ein Nerd, aber kein schicker Hipster

sondern ein Vieldenker, voll Hirngespenster.
Ich surf auf keiner Modeklischeeretrowelle,
ich surf im Internet, such Lesebrillengestelle

für echte Augen, um Bücher zu lesen

und Texte zu schreiben,

nicht um Fotos zu schießen

und mich bei Facebook zu zeigen.

Und manchmal hab ich das Gefühl,

ich bin anders und allein,
keiner scheint mir ähnlich,

keiner scheint mir nah zu sein.
Und manchmal hab ich das Gefühl,

niemand ist wie ich,
einen Platz, an den ich passe,

den gibt es für mich nicht.
Aber wieso fühl ich mich so anders?

Und was muss denn noch passieren?
Ich mein, was mach ich falsch?

Ich will doch bloß dazugehören!
Aber wozu denn gehören?

Und was soll das denn heißen?
Weil wir alle doch anders

und dadurch wieder gleich sind.

Und es geht doch um den Inhalt

   viel mehr als um die Form,
es geht doch um den Einzelfall

   viel mehr als um die Norm,
es geht nicht um Physik,

   es geht um Fantasie,

vor allem geht’s ums Was –

   viel mehr als um das Wie.

 

Es geht nicht um das, was uns trennt,
sondern um das, was wir gemeinsam haben.

Es geht darum, dass wir uns kennen,

mehr als darum, dass wir mal einsam waren.

Es geht nicht ums Gewinnen,
sondern darum, dass du kämpfst.
Es geht nicht um den Takt,
sondern darum, dass du dänct.
Es geht nicht drum, was wir haben,
sondern um das, was wir draus machen.
Es geht nicht um den Witz an sich,
sondern darum, dass wir lachen.

Es geht nicht darum, wie viel,

sondern darum, dass du gibst.

Es geht nicht darum wen,

sondern darum, dass du liebst.
Es geht nicht drum, was wir tragen,

wie wir lächeln, wie wir reimen.
Es geht darum, was wir sagen,

ob wir echt sind, was wir meinen.

 

Und vielleicht geht’s auch nicht ums Happy End,
sondern heute mal nur um die Geschichte,
vielleicht geht’s nicht darum, ob ich anders,
sondern darum, dass ich ich bin
Vielleicht geht’s auch nicht drum,

die ganze Welt zu erfassen und alles zu verstehen,

vielleicht geht`s darum, „Hakuna Matata“ zu sagen
und einfach mal gerne zu leben.

 

Und es geht doch um den Inhalt

   viel mehr als um die Form,
es geht doch um deinen Einzelfall

   viel mehr als um die Norm,
es geht nicht um Physik,

   es geht um Fantasie,

vor allem geht’s ums Was –

   viel mehr als um das Wie.

 

Und was soll das denn heißen –

jemand ist „sonderbar“ und „eigenartig“?
Das sind doch bloß Synonyme

für „besonders“ und von „einzigartig“.
Jemand sagt dir, du bist anders,

dann denk dir für dich:

Anders ist nicht falsch,

bloß `ne Variante von richtig.

 

Und es geht nicht drum,

wie hoch du springen kannst,

sondern wie hoch du glaubst,

dass du springen kannst.

Denn es geht nicht um Physik,

   es geht um Fantasie,

vor allem geht`s ums Was –

   viel mehr als um das Wie!

Und wer andere abgrenzt,

grenzt sich selber ein.
Wer andere schwach macht,

glaubt nicht stark zu sein.
Ich mach mein Herz weit und lass Leben rein,
weil ich dran glaube, gut genug zu sein.

 

Notiz:

In Deutschland entspricht dies der 9.Klasse. Die norwegischen Schüler werden ein Jahr früher „eingeschult“. Dieses Jahr ist für die sechsjährigen Kinder nicht wie die gewöhnliche Schulzeit organisiert. Es ist ein Übergangsjahr mit altersentsprechender pädagogischer Verantwortung, eine Vorschulzeit.

 

von Elisabeth Rahn (Deutschlehrerin an Steinerskolen på Hedemarken in Norwegen)